Experten-Interview: Sharing Economy für Unternehmen

Die Sharing Economy ist ein aktuelles Thema für Unternehmen und Wissenschaft. Regelmäßig erhalte ich Interviewanfragen von Studierenden für ihre Abschlussarbeiten. Wann immer möglich, nehme ich mir die Zeit, mein Wissen aus Beratungsprojekten bei Hilker Consulting und aus meiner Dissertationsforschung online zu teilen. So auch in diesem Interview mit einem Studierenden. Wie können Unternehmen vom Trend der Sharing Economy profitieren?

Sharing Economy bietet neue Potenziale

Welche potenziellen Vorteile können Unternehmen mit der Sharing Economy im digitalen Wandel erzielen? Teilen statt Besitzen bedeutet für die Wirtschaft, dass Konsumenten weniger Besitz anhäufen und ein Umdenken im Unternehmen notwendig ist. So muss sich beispielsweise ein Automobilhersteller von der ständigen Perfektionierung von Produktionsprozessen lösen und stattdessen über Geschäftsmodellinnovationen und die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen nachdenken. So kann beispielsweise die Investition in ein Carsharing-Modell durch Wertschöpfungsprozesse am neuen Trend partizipieren und zukünftige Umsatzeinbußen vermeiden.

Der Punkt ist, dass die Sharing Economy neue Regelungen von Politikern und Regierungen erfordert, um Kompromisse zwischen den Perspektiven und Konflikten der verschiedenen Parteien zu erreichen. Darüber hinaus sind eine neue Geschäftsethik sowie Innovationsmaßnahmen in Unternehmen für die digitale Transformation erforderlich. Die Sharing Economy erfordert daher eine Plattformökonomie.

Sharing Economy erfordert Plattformökonomie und Ökosysteme

Der Megatrend Sharing Economy macht deutlich, wie wichtig es für Organisationen ist, Ökosysteme mit digitaler Vernetzung aufzubauen, beispielsweise durch Social-Media-Marketing. Dies ermöglicht nicht nur den Aufbau einer Plattform, sondern auch die kollaborative, produktive und effiziente Zusammenarbeit mit den Mitgliedern als Betreiber. Es kann die Grundlage für eine Geschäftsmodellinnovation bilden und somit zusammen mit der Plattformökonomie ein Baustein im digitalen Transformationsprozess sein. Lesen du dazu diesen Artikel: Sharing Economy braucht Plattformökonomie .

1 Wie beurteilen du den aktuellen Stand der Sharing Economy in Deutschland, Herr Prof. Dr. Hilker?

Sharing Economy

Das Time Magazine kürte die Sharing Economy zu einer der zehn Ideen, die die Welt verändern werden (WAZ 2013). Zahlreiche Startups haben darauf basierend mittlerweile millionenschwere Geschäftsmodelle entwickelt. Zahlreiche Studien und Umfragen (z. B. des BITKOM) zeigen, dass viele Internetnutzer dem Teilen aufgeschlossen gegenüberstehen.
Besitz ist keine Voraussetzung mehr für die Nutzung von Gütern, Wissen oder Infrastruktur. Neue Web 2.0-Technologien (z. B. Blogs, Foren) und soziale Netzwerke (z. B. Facebook, Google) haben die Entwicklung der
Sharing Economy beschleunigt . Erfolgreiche Sharing-Konzepte werden in Deutschland bereits in der Praxis eingesetzt.

Die Deutsche Bahn beispielsweise setzt auf „Mieten statt Besitzen“ und bietet Autos und Fahrräder zum Mieten an. In Großstädten wie Köln hat sich Coworking entwickelt. Startups und Freelancer teilen sich Büroräume, IT-Lösungen und Projekte. Rund 300 Coworking Spaces gibt es bereits außerhalb von Köln. Wie sich dieser Trend weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Möglicherweise konzentriert er sich auf bestimmte Bereiche. Zudem ist die Frage offen, wie der Staat davon profitieren kann.

2 Wer ist deiner Meinung nach die primäre Zielgruppe der Sharing Economy?

Eine wichtige Zielgruppe sind die 14- bis 19-Jährigen, also jüngere Internetnutzer. Die meisten haben bereits Erfahrungen mit alternativen Besitz- und Konsumformen. Plattformen wie Airbnb sind in dieser Altersgruppe bekannt und beliebt. Diese Zielgruppe ist versiert im Umgang mit neuen Medien und lässt sich leicht von Freunden beeinflussen.

Anbieter sollten dies beachten und sich in ihrem Marketing entsprechend positionieren. Empfehlungsmarketing durch den Austausch von Erfahrungen und Meinungen im Internet sollte gefördert werden. Influencer-Marketing, Community-Marketing und Blogger Relations könnten konkrete Marketingkonzepte sein.

3 Welche Marketingmaßnahmen würden du empfehlen, um deine Zielkunden online zu erreichen?

Natürlich sind Online-Präsenz und Online-Networking wichtig. Dazu gehört nicht nur die Unternehmenswebsite, sondern auch Facebook, Twitter und andere Social-Media-Plattformen. Social Media und Community-Marketing sind unerlässlich. Regelmäßige Posts müssen Aufmerksamkeit generieren, um Fans und Follower zu gewinnen.

Die Interaktion mit den Nutzern ist in diesen Situationen besonders wichtig. du schafft Vertrauen und fängt Kundenerlebnisse ein. Das wiederum kann neue Fans gewinnen, da diese gerne prüfen, welche ihrer Freunde deine Fanseiten abonniert haben und was sie davon halten. Ein einfaches Social-Media-Profil reicht heutzutage nicht mehr aus, schon gar nicht für das Prinzip der Sharing Economy. Eine Strategie ist unerlässlich.

4 Wo sehen du die größten Probleme bei der Erreichung deiner Zielkunden?

Die Schwierigkeiten liegen in der Strategieentwicklung, ihrer Umsetzung und dem Controlling. Gerade junge Nutzer lassen sich zwar leicht von neuen Trends und Angeboten begeistern, verlieren aber ebenso schnell das Interesse. Zudem weisen sie viele Ambivalenzen auf, die das Marketing nur schwer auflösen kann. Globalisierung und Digitalisierung beschleunigen den soziokulturellen Wandel. Gleichzeitig nehmen Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung in modernen Bevölkerungsschichten zu.

An der Spitze der Gesellschaft steht eine kosmopolitische Elite, die als „digitale Avantgarde“ bezeichnet wird (vgl. Hoffmann und Hecht 2014). du ist jung, hip und individualistisch. Ihre Merkmale: du ist geistig und geografisch mobil, online und offline vernetzt und ständig auf der Suche nach neuen Grenzen und innovativen Lösungen.

deine Attribute sind Nonkonformismus, Selbstverwirklichung, Freiheit und Unabhängigkeit. Sie haben keine festen Dogmen, sind weltoffen und digital selbstbewusst. Individualität ist der Kernwert der digitalen Avantgarde. Diese „junge Elite“ ist aufgrund ihrer Konsumgewohnheiten und Markenpräferenzen für Marketer interessant.

Vieles deutet darauf hin, dass sich diese digitale Avantgarde zu einer globalen Zielgruppe entwickelt. Im Marketing wird diese Gruppe bislang kaum wahrgenommen, ihre Konsumbedürfnisse und -präferenzen sind noch unzureichend verstanden. Die Strategie eines Unternehmens muss auf diese komplexen Herausforderungen vorbereitet sein.

Oft mangelt es an der Umsetzung. Digitales Marketing erfordert crossmediale Aktivitäten und fundierte Kenntnisse über mediale Netzwerkeffekte mit viralem Marketing, Content Marketing und Community Marketing. Unternehmen nehmen sich dafür oft nicht genügend Zeit und scheuen sich, entsprechende Investitionen zu tätigen. Sie denken, ein Profil mit einem wöchentlichen Beitrag sei ausreichend. Doch so funktioniert es nicht. Zudem kommt die Erfolgsmessung zu kurz.

5 Wie muss sich das Marketing in diesem Zusammenhang ändern?

Das Marketing muss sich noch stärker für neue Medien öffnen und Unternehmen müssen mehr investieren. Social-Media-Manager oder -Agenturen sollten in die Marketingstrategie integriert werden, um eine Echtzeitkommunikation mit Nutzern und Kunden aufzubauen. Content-Marketing, interaktive Online-Kommunikation, Online-Monitoring und Reputationsmanagement sind ebenso wichtig wie ein Krisenplan. Die Umsetzung der Strategie erfordert Ressourcen, insbesondere Zeit und Know-how.

6 Welche Marketingchancen sehen du in Bezug auf die Sharing Economy?

Die Sharing Economy bringt zahlreiche innovative Geschäftsmodelle hervor. Dies eröffnet neue Marketingansätze, darunter Peer-to-Peer-Finanzierungen. Crowdfunding-Plattformen bieten faszinierende neue Möglichkeiten, auf konkrete Projekte aufmerksam zu machen, eine Marke ins Gespräch zu bringen und gleichzeitig Nutzer in den Prozess einzubeziehen. Darüber hinaus rücken Werte wie Kooperation, Vernetzung und gegenseitiger Nutzen in den Fokus und eröffnen neue Felder für effizientes Online-Marketing.

7 Welche Marketingrisiken sehen du?

Innovative Geschäftsfelder bergen allgemeine Risiken, wie etwa fehlende steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Darüber hinaus gibt es Risiken, die zu potenziellen Konflikten in bestimmten Branchen führen, wie etwa bei Uber und der Taxibranche. Darüber hinaus gibt es mit jedem Geschäftsmodell spezifische Risiken; beispielsweise birgt Airbnb das Risiko von Vandalismus. Ein weiteres Risiko betrifft die allgemeine Kritik an der Sharing Economy.

Viele Unternehmen verpassen den Trend, indem sie sich bei ihrer Geschäftsentwicklung ausschließlich auf historische Daten (Verkaufsanalysen) konzentrieren, anstatt innovative Trends aufzugreifen und mittels Marktforschung zu untersuchen. Daher kann es für Unternehmen riskant sein, keine Geschäftsmodelle für die Nutzung der Sharing Economy zu entwickeln, da dies zur Verschwendung von Wachstumspotenzialen führen würde.

Einige Branchen, wie etwa die Automobilindustrie, haben ihre Wachstumsgrenzen erreicht und benötigen neue Einnahmequellen. So investiert beispielsweise der Automobilhersteller BMW mit „DriveNow“ in Carsharing. Anbieter können mit Sharing-Economy-Konzepten zu den Gewinnern dieser Transformation gehören. Komfort, Kosteneffizienz und ein einfacher Marktzugang stehen weiterhin im Vordergrund.

8 Was sind deine Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Sharing Economy?

Der Trend zur Sharing Economy wächst weiterhin rasant. Angesichts der rasanten Entwicklung der sozialen Medien (getrieben durch Web 2.0-Technologien und die Generation Y) ist es möglich, dass künftig noch mehr innovative Projekte aus Wissenschaft, Wirtschaft und Privatleben die Sharing Economy weiterentwickeln werden. „Nutzen statt Besitzen“ ist noch ein Nischenphänomen. Angesichts steigender Energie- und Rohstoffpreise brauchen wir Konsumalternativen, und diese sehe ich ganz klar in der Sharing Economy.

9 Welche Erfolgsfaktoren sehen du im Zusammenhang mit der Sharing Economy?

Es gibt einige Schlüsselmerkmale der Sharing Economy, die sowohl ein Erfolgsfaktor als auch eine Herausforderung darstellen.

  1. Die Sharing Economy basiert auf Vertrauen. Vertrauensbildung ist bekanntermaßen ein zeitaufwändiger Prozess, und Unternehmen können dies nur durch Transparenz und Integrität erreichen. Soziale und ehrliche Interaktion mit den Nutzern ist hierfür unerlässlich.
  2. Kundenbewertungen genießen einen hohen Stellenwert: Nutzer vertrauen ihnen. Erhalten Nutzer keine Antwort auf Kommentare oder sind ihnen Prozesse, die den Kunden betreffen, nicht klar, schwindet das Vertrauen.
  3. Auch die Transaktion selbst ist relevant. Finanzielle Abschlüsse über das Internet heben in der Sharing Economy die Anonymität auf. Viele Plattformen bieten beispielsweise Versicherungen an, um eine reibungslose Abwicklung der Transaktionen zu gewährleisten. Dennoch ist Vertrauen auch hier notwendig, da Nutzer wichtige persönliche Daten preisgeben müssen. Transparente Kommunikation ist daher entscheidend.

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